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3 Jahre, 29 Hühner

Die solidarische Hühnerwirtschaft feiert im Mai ihren 3. Geburtstag. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz über unser buntes Zusammenleben.

 

Am 15. Mai 2016 sind die ersten Hühner eingezogen. Wenn ich ehrlich bin, wusste ich nicht wirklich wohin die Reise geht. Heute ist klar, dass mich die Hühner ein Leben lang begleiten werden und Hühnerhaltung sowie das Eintreten für Hühnerrechte vom Hobby zur Passion wurde. Es gibt viele Erfahrungen und Erlebnisse der letzten 3 Jahre, die mich geprägt haben. 3 davon möchte ich euch zum Jahrestag der solidarischen Hühnerwirtschaft präsentieren:

 

1,) "Ja, es tut noch weh, aber..."

Es ist noch immer schmerzhaft wenn mich ein Huhn verlässt. Meistens sind sie solange hier, dass sie ihren Charakter zeigen können und wir eine Beziehung aufbauen. Sie bekommen eine Einzigartigkeit, die bindet und eben auch verletzt, wenn sie gehen. Insgesamt sind 29 Hühner bei uns eingezogen - 16 davon leben noch heute. Entscheidet man sich für ein Altersheim ausgedienter Legehennen gehört der Tod dazu. Im Gegensatz zu Rassehühnern sind Hybridhennen durch Überzüchtung und Ausbeutung leider für ihr ganzes Leben körperlich geschädigt. Gerade deshalb haben sie sich einen Lebensabend in relativer Freiheit verdient. Ein kleiner Trost ist, dass mit dem Ableben des einen Huhns wieder Platz für ein anderes Huhn frei wird. Solange wir Menschen unseren Eierkonsum nicht überdenken, wird es sie geben: die tausenden gezeichneten Seelen, die nach der Ausbeutung einen Platz suchen. Es erfüllt mich Huhn für Huhn mit Freude die ersten tapsenden Schritte mitzuerleben und ihnen die Schlafplätze zu zeigen. Und sie bis an ihren Tod zu begleiten.

 

2.) "Rollen sind austauschbar, Hühner nicht"

Ich muss gestehen, der Satz "Keine Feder gleicht der anderen" fußte nicht auf Erfahrung, sondern auf einem Gefühl. Aber es dauerte nicht lange, bis sich die Eigenheiten der Hennen zeigten. Mit dem Einzug von Berta und Huhnigunde, den beiden letzten Zugängen, kann ich sagen, mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Was ich damit meine? Meine ostösterreichische Prägung hat mir den Satz "Ana hot imma des Bummerl" fürs Leben mitgegeben. Er trifft auf eine Hühnerwirtschaft zu, wie kaum ein anderer. Lange Zeit war es Erni, die die Züchtigungen ihrer Kolleginnen auf sich zog. Jetzt ist Berti eingezogen, die zu ihrem Leid in Ernis Fußstapfen tritt und den letzten Platz in der Hackordnung eingenommen hat. Sind es nun kognitive Auffälligkeiten (Ernis Verpeiltheit) oder körperliche (Bertas Blindheit) - die Hühner kennen kein Erbarmen. Die Rollen werden weitergegeben - die Individualität bleibt.  Ein weiteres Beispiel ist Frau Holle. Sie ist die scheuste Henne von allen, die Vorsichtigkeit ist ihr ins Gesicht geschrieben (Paaaaaanik!). Während Frau Holle versucht bis auf 2-3 Meter Abstand Vertrauen zu gewinnen, war dies bei Elvis bis zum Schluss nicht möglich. Elvis starb über Nacht, und ich bin froh, dass der schnelle Tod ihr bis zum Schluss ermöglichte, von uns Menschen unberührt zu bleiben. Denn in den Wintermonaten hat der bloße Gedanken, wir könnten auch ihren Kamm mit Vaseline einschmieren, sie geduldig in der hintersten Stallecke ausharren lassen, bis kein Mensch in Sichtweite war.

Eine funktionierende Hühnerwirtschaft braucht ihre Rollen. Diese übernehmen wichtige Funktionen des Zusammenlebens. Aber das was sie unterscheidet, ihre Persönlichkeit, ist einzigartig. 

 

3.) "Die Hackordnung ist dem Menschen zumutbar"

Wenn du so intensiv mit den Hühnern lebst, tut dir ihr Verhalten manchmal weh. Dieses Hinpecken auf die armen und schwächeren Hühner der Gruppe kann in dir sowohl Zornesröte als auch Gerechtigkeitswünsche hochkochen lassen. Die Hackordnung scheint mit menschlichen Maßstäben nicht vereinbar. Aber ist das wirklich so? Auch in unserer Gesellschaft ist sozialer Aufstieg fast unmöglich und zum Sündenbock wird der, der ohnehin schon am Boden liegt. Damit wir unseren Kuchen nicht teilen müssen, entscheiden wir uns für Strenge, anstatt für Mitgefühl. Das menschliche Hinpecken wirkt nicht so dramatisch, weil wir Milieus gebildet haben. Die Züchtigungen überlassen wir Ämtern und Gesetzen. Wir können uns passiv verhalten, den Rest macht der Sozialdarwinismus. Im Vergleich wirkt die Hackordnung der Hühner fast ehrlicher. Das öffentliche Zurechtweisen bekommt jeder mit, auch wer zurecht gewiesen hat. Die führenden Hennen tragen ihre Führungsrollen nach außen. Während Hühner Verantwortung für ihre Taten übernehmen oder zumindest transparent sind, versuchen Menschen ihre abzugeben oder geben sich ohnmächtig. Ein Huhn gibt sich nie ohnmächtig. Es stellt ihre Rolle offen zur Schau. Sei es die Macht der Königin oder das Aufbegehren der Rangniedrigen. Vielleicht sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen. Also an der Transparenz und am Aufbegehren. Nicht an der Hackordnung an sich. Die haben wir nämlich schon ganz gut verinnerlicht.

 

Alles Gute zum Jahrestag, Goggis!

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