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Flieg davon, lieber Rudi

Es gibt Gockel und Gockel. Es gibt Gockel, die sich ständig produzieren (klassisches aufgockeln), dementsprechend laut und auch ein wenig aggressiv sind. Und es gibt Gockel, die auf ihre Herde schauen, Streit schlichten, für die Hennen da sind, wenn Gefahr droht, ihnen aber auch Raum geben, damit die Hennen tun können, was sie halt auch gerne tun. Rudi war so ein umsichtiger Hahn.

 

Er hat sich den Schreiduellen mit dem Nachbarhahn nur selten angeschlossen. Er hatte immer ein wachsames Auge und hat beim Futtertrog auch gerne einmal zu den Schwächeren geholfen. Seine große Liebe war Pocahontas. Die beiden haben alles gemeinsam gemacht. Den Flirtversuchen anderer Hennen ist er nur selten erlegen. Meistens kam es uns sogar so vor, als würden ihn die Avancen der Hennen überfordern. Als er in die solidarische Hühnerwirtschaft kam, bestand sie aus 9 Hennen und die Rollen waren klar verteilt. Elvis war die Hahn-Ersatz Henne und hatte die Aufgabe der Gefahren- und Futterlaute inne. Rudi übernahm von ihr, aber nur den Gefahrenschrei, den Futterruf durfte Elvis bis zu ihrem Tot behalten. Dass diese Kompetenzteilung ohne Reibung passiert ist, möchte ich jetzt nicht behaupten. Es zeigt aber, dass Rudi nicht versucht hatte, auf Biegen und Brechen seinen Willen durchzusetzen. Generell war er ein sanftmütiger, der sich auch gern mal ins Nest zurückzog, den Hennen nach dem Eierlegen gratulierte bzw. sie mit Beifallslauten bedachte.

 

Rudi hatte viele Hennen kommen und gehen sehen. Er wurde fast 5 Jahre alt, einbisschen mehr als 4 hatte er in der solidarischen Hühnerwirtschaft verbracht. Es waren zu Beginn 9, zwischendurch 12, dann auch mal 6 Hennen. Am Schluss musste er eine Hühnerschar von 17 betreuen. Es kamen auch teilweise immer schwierigere, eingeschränkte Hennen in die Gruppe. Teilblinde oder blinde Hühner beispielsweise. Rudi machte das aber nichts, er half bei der Integration und machte keinen Unterschied ob ein Huhn neu in der Gruppe oder eine Veteranin war. Er hat sich immer um alle gekümmert. 

 

Gestern ist er eingeschlafen. Natürlich nicht zurückgezogen in irgendeinem Winkel des Stalls, sondern im Auslauf mitten unter seinen Hennen. Wo er auch hingehört hat und auch immer hingehören wird. Von einer langwierigen Erkältung hat er sich leider nie mehr wirklich erholt. Jetzt war es Zeit zu gehen. Wir werden dich vermissen Rudi. Du hinterlässt eine große Lücke.

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